Die Russland-Sanktionen der EU

A. Zusammenfassung


Mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 sah sich die Europäische Union zum Handeln gezwungen. Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten und erfolgten in Form einer Vielzahl von Sanktionen. Bis heute haben sich die EU-Mitgliedsstaaten auf die Verabschiedung von insgesamt sieben Sanktionspaketen geeinigt, mit denen die russische Wirtschaft gezielt geschwächt werden soll. Die Maßnahmen betreffen insbesondere den Verteidigungs-, Finanz-, Energie-, Verkehrs- und Industriesektor und zielen auf verschiedene Einzelpersonen und Unternehmen ab, die restriktiv behandelt werden. Die EU-Mitgliedstaaten sind nicht die einzigen Länder, die das Vorgehen Russlands verurteilen. Auch westliche Partner wie die USA, Kanada und das Vereinigte Königreich haben zahlreiche ähnliche Sanktionen beschlossen, die sich jedoch im Detail unterscheiden.

Die meisten der von der EU direkt gegen Russland verhängten Sanktionen basieren auf zwei Grundverordnungen, die im Rahmen der Sanktionspakete mehrfach geändert wurden: Die Verordnung (EU) 833/2014 bezieht sich auf sektorale Beschränkungen, die Verordnung (EU) 269/2014 auf einzelne Personen und Organisationen. Die Mitgliedsstaaten haben diese Verordnungen bereits 2014 im Zusammenhang mit der Annexion der Krim erlassen. Außerdem wurde in diesem Zusammenhang auch die Verordnung (EU) 692/2014 erlassen, um den Handel mit Waren mit Ursprung auf der Krim ausdrücklich zu beschränken. Ein weiterer für diesen Artikel relevanter Rechtsakt ist die Verordnung (EU) 263/2022, die die EU als Reaktion auf die Anerkennung der Unabhängigkeit der Regionen Donezk und Luhansk im Februar 2022 erlassen hat.

Dieser Artikel gibt einen Überblick über die bestehenden Sanktionen und geht der Frage nach, welche unmittelbaren Aufgaben und Pflichten sich daraus für Unternehmen ergeben. In einem weiteren Beitrag werden die praktischen Auswirkungen der Sanktionen genauer untersucht.

B. Einzelne Sanktionen

I. Erste Sanktionen  (23.02.2022)


Am 23.02.2022, zwei Tage nachdem Russland die selbsternannten Volksrepubliken Lugansk und Donezk als unabhängig anerkannt und Truppen in diese Gebiete entsandt hatte, veröffentlichte die EU ihr erstes Sanktionspaket.

Zunächst wurden der Verordnung (EU) 833/2014 weitere Maßnahmen hinzugefügt. Grundsätzlich sah die Verordnung von 2014 ein Verbot des Verkaufs, der Lieferung, der Weitergabe oder der Ausfuhr von Gütern und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck an Russland vor, wenn diese Güter ganz oder teilweise für militärische Zwecke oder für einen militärischen Endverwender bestimmt sind oder bestimmt sein können (Art. 2). Das Gleiche gilt für bestimmte Technologien, die in der Ölindustrie verwendet werden können (Artikel 3). Auch der Handel mit verschiedenen Finanzinstrumenten wurde in Russland verboten (Art. 5). Im Rahmen der Änderungsverordnung wurden die bestehenden Maßnahmen auf weitere Bereiche ausgedehnt. So erließ die EU ein Verbot des Kaufs russischer Staatsanleihen und ein Verbot der Kreditvergabe an Russland oder seine Zentralbank (Art. 5a).

Zweitens wurde die Verordnung (EU) 269/2014 erweitert. Die Änderungsverordnung sah vor, dass alle Mitglieder des russischen Parlaments, die für die russische Anerkennung der Regionen Luhansk und Donezk als unabhängige Staaten gestimmt haben, in die Sanktionsliste in Anhang I der Verordnung (EU) 269/2014 aufgenommen werden. Alle Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen der aufgelisteten Personen werden eingefroren und finanzielle Mittel dürfen ihnen nicht zur Verfügung gestellt werden.

Drittens hat die EU die Verordnung (EU) 263/2022 erlassen, die massive Beschränkungen für den Handel mit den Gebieten Donezk und Luhansk vorsieht. So sind beispielsweise die Einfuhr von Waren aus diesen Regionen und die Ausfuhr bestimmter Waren (darunter Eisen, Stahl, Motoren, Mineralöle und viele andere) verboten. Außerdem gibt es Handels- und Investitionsbeschränkungen in bestimmten Wirtschaftssektoren und ein Verbot, touristische Dienstleistungen anzubieten.

II. Zweites Sanktionspaket (25.02.2022)


1. Handelsbeschränkungen

Nur zwei Tage nach der Verabschiedung des ersten Sanktionspakets (und einen Tag nach Beginn des bewaffneten Konflikts) kündigte die EU weitere Maßnahmen an. Die Verordnung (EU) 833/2014 wurde dahingehend erweitert, dass das Verbot des Verkaufs, der Lieferung, der Weitergabe oder der Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck nicht mehr nur solche Güter umfasst, die mit einem militärischen Zweck in Verbindung gebracht werden können. Stattdessen enthält die geänderte Verordnung ein generelles Verbot der Weitergabe solcher sogenannten "Dual-Use"-Güter mit einzelnen ausdrücklich geregelten Ausnahmen. In der Praxis ist dies von erheblicher Bedeutung. Während eine entsprechende Transaktion bisher grundsätzlich noch zulässig war, stellt diese neue Einschränkung in systematischer Hinsicht eine Umkehrung dar und normiert ein Verbot als Regelfall. Das Vorliegen einer Ausnahme muss daher entsprechend nachgewiesen werden. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn Waren für humanitäre oder medizinische Zwecke oder im Rahmen der technischen Hilfe verwendet werden können. In anderen, nicht ausdrücklich geregelten Fällen kann die Transaktion im Einzelfall genehmigt werden, wenn eine militärische Nutzung ausgeschlossen ist (z. B. im Rahmen der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit, der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit bei Weltraumprogrammen, der Sicherheit auf See und in anderen Fällen auch im Rahmen von Altverträgen innerhalb bestimmter Grenzen, vgl. Art. 2a Abs. 4f. der Verordnung (EU) 833/2014).

Die geänderte Verordnung enthält auch sektorspezifische Beschränkungen. So gibt es zum Beispiel ein Ausfuhrverbot für Luft- und Raumfahrzeuge und Teile davon. In diesem Zusammenhang sind auch die Überholung, die Reparatur, die Inspektion, der Austausch, die Änderung oder die Beseitigung von Mängeln eines Luftfahrzeugs oder eines Teils davon verboten. Flugzeughersteller, die (auch) für Russland wichtig sind, wie Boeing und Airbus, mussten ihre Lieferungen der entsprechenden Güter stoppen.

Auch im Energiesektor sind weitere Beschränkungen vorgesehen: Der direkte oder indirekte Verkauf, die Lieferung, die Weitergabe oder die Ausfuhr bestimmter Güter und Technologien (die in Anhang X der Verordnung aufgeführt sind), die zur Verwendung bei der Erdölraffination geeignet sind, ist verboten. Dies gilt für natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Russland oder zur Verwendung in Russland. Nur die Ausführung von Altverträgen ist bis zum 27.05.2022 von dem Verbot ausgenommen. Weitere genehmigungspflichtige Ausnahmen sind z.B. bei Notfällen für die menschliche Gesundheit und die Sicherheit der Umwelt vorgesehen.

Im Bereich der Technologie hat die EU eine breite Palette von Beschränkungen erlassen. In Anhang VII der geänderten Verordnung sind zahlreiche Waren und Technologien aufgeführt, die weder direkt noch indirekt nach Russland geliefert werden dürfen. Darunter fallen zum Beispiel Software, Computer, Telekommunikationsausrüstung, Ausrüstung und Software speziell für die Informationssicherheit, Sensoren und Laser sowie maritime Systeme oder Ausrüstung. Auch hier sind Ausnahmen vorgesehen, zum Beispiel im Bereich der humanitären oder medizinischen Hilfe. Ebenso sind Ausfuhren von der zuständigen Behörde nach Möglichkeit im Einzelfall zu genehmigen, sofern sie für nicht-militärische Zwecke bestimmt sind.

2 Beschränkungen auf dem Finanzmarkt

Auch im Finanzsektor hat die EU verschiedene Maßnahmen ergriffen. Dazu gehört das Verbot, Finanzmittel oder finanzielle Unterstützung für Güter mit doppeltem Verwendungszweck bereitzustellen. Ebenso ist die Bereitstellung von öffentlichen Finanzmitteln oder finanzieller Unterstützung für den Handel mit oder Investitionen in Russland verboten (mit Ausnahme bestimmter alter Verbindlichkeiten).

Es ist verboten, Einlagen von russischen Staatsangehörigen und Unternehmen mit einem Gesamtwert von 100.000 € oder mehr anzunehmen und Wertpapiere an russische Kunden zu verkaufen. Außerdem dürfen Aktien russischer Staatsunternehmen nicht mehr gehandelt werden, und verschiedene russische Banken (z. B. solche, die zu mehr als 50 Prozent in Staatsbesitz sind oder eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Aktivitäten Russlands spielen) dürfen in der EU keine Kredite mehr aufnehmen oder vergeben.

3. Visum- und Reisebeschränkungen

Gemäß dem Beschluss Nr. 2022/333 wird das Abkommen zwischen der EU und Russland über die Erleichterung der Visaerteilung für Bürgerinnen und Bürger der EU und der Russischen Föderation ab dem 28. Februar 2022 teilweise ausgesetzt. Das Abkommen enthielt verschiedene Erleichterungen für die Erteilung von Visa, wie z.B. die Möglichkeit, solche Visa für die mehrfache Einreise zu erteilen oder die Festsetzung einer Höchstgebühr für den Visumantrag und dessen Dauer. Diese Erleichterungen gelten nun nicht mehr für Mitglieder der nationalen und regionalen Regierungen und Parlamente Russlands, des russischen Verfassungsgerichts und des Obersten Gerichts Russlands, für Mitglieder offizieller russischer Delegationen sowie für Geschäftsleute und Vertreter von Wirtschaftsverbänden. Ebenfalls ausgesetzt wurde eine Bestimmung, nach der russische Staatsangehörige, die im Besitz eines gültigen Diplomatenpasses sind, ohne Visum in die EU einreisen, durchreisen oder ausreisen konnten.

4 Neue Listen und Einfrieren von Vermögenswerten

Darüber hinaus hat die EU auch die Verordnung (EU) 269/2014 erweitert. Zahlreiche russische Politiker und Mitglieder der belarussischen Streitkräfte wurden in die Liste der zu sanktionierenden Personen aufgenommen. Dazu gehören zum Beispiel Präsident Putin, Außenminister Lawrow, Ministerpräsident Mischustin, Innenminister Kolokoltsev, der stellvertretende Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrats Medvedev und hochrangige Mitglieder der russischen Verwaltung.

Alle Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die den aufgeführten Personen gehören, von ihnen gehalten oder von ihnen kontrolliert werden, werden eingefroren. Ihnen dürfen weder direkt noch indirekt Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugute kommen.

III. Drittes Sanktionspaket (28.02.2022)


1 Weitere Auflistungen

Im Rahmen des dritten Sanktionspakets wurden weitere Personen und Unternehmen in die Sanktionsliste der Verordnung (EU) 269/2014 aufgenommen. Das Versicherungsunternehmen der Gasindustrie Sogaz und Personen wie Igor Setschin (Vorstandsvorsitzender von Rosneft), Nikolai Tokarew (Vorstandsvorsitzender von Transneft), Michail Fridman (Gründer der Alfa Group), Alisher Usmanov, Petr Aven, Sergei Rodulgin, Gennady Timchenko (alle haben enge Beziehungen zu Präsident Putin), Dmitry Peskov (Präsident Putins Pressesprecher), andere hochrangige Politiker, verschiedene Journalisten, die die Aggression gegen die Ukraine unterstützt haben, und einige hochrangige Mitglieder des Militärs.

2. Sanktionen in den Bereichen Luftfahrt und Seeverkehr

Die EU hat auch weitere Sanktionen im Luftfahrtsektor beschlossen. Die Verordnung (EU) 833/2014 sieht nun vor, dass alle von russischen Luftfahrtunternehmen betriebenen Flugzeuge, alle in Russland registrierten Flugzeuge und alle nicht in Russland registrierten Flugzeuge, die von russischen natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen kontrolliert werden, nicht auf dem Gebiet der Union landen, starten oder es überfliegen dürfen. Nur Notlandungen oder Überflüge sind von diesem Verbot ausgenommen. Außerdem sind Ausnahmen für humanitäre Zwecke mit einer entsprechenden Genehmigung möglich.

Außerdem dürfen bestimmte maritime Güter und Technologien nicht nach Russland geliefert oder aus Russland ausgeführt werden. Darüber hinaus wurden die Finanzierungsbeschränkungen auf den maritimen Sektor ausgeweitet.

3. Beschränkungen auf dem Finanzmarkt

Auch im Finanzsektor wurden weitreichende Beschränkungen verhängt. So ist es zum Beispiel verboten, nach dem 09.03.2022 mit übertragbaren Wertpapieren und Geldmarktinstrumenten zu handeln, wenn sie von Russland und seiner Regierung, der russischen Zentralbank oder einer auf deren Weisung handelnden Institution ausgegeben wurden (Art. 5a Abs. 1).

Mit dem neu eingefügten Art. 5h der Verordnung (EU) 833/2014 sind außerdem mehrere Banken vom SWIFT-Zahlungsverkehrssystem ausgeschlossen. SWIFT ist das international dominierende Messaging-Netzwerk, über das internationale Zahlungen abgewickelt werden. Der Ausschluss betrifft die Bank Otkritie, Novikombank, Promsvyazbank, Bank Rossiya, Sovcombank, Vnesheconombank (VEB) und VTB Bank. Die Sberbank (Russlands größte Bank) und die Gazprom Bank (Russlands drittgrößte Bank) wurden zunächst nicht aufgenommen, weil sie für die Abwicklung von Zahlungen für Erdgas- und Ölimporte wichtig sind.

Im gleichen Atemzug wurde mit der Einfügung von Art. 5i der Verkauf, die Lieferung, der Transfer oder die Ausfuhr von auf Euro lautenden Banknoten nach Russland oder an natürliche oder juristische Personen in Russland oder zur Verwendung in Russland verboten. Ausnahmen gelten nur für den persönlichen Gebrauch von natürlichen Personen, die nach Russland reisen, oder für offizielle Zwecke von diplomatischen Missionen, konsularischen Vertretungen oder internationalen Organisationen.

4 Weitere Einschränkungen

Schließlich ist zu erwähnen, dass es Rundfunkveranstaltern im Rahmen dieser Sanktionsrunde untersagt ist, in der EU zu senden oder die Ausstrahlung von Russia Today und Sputnik-Inhalten zu ermöglichen, zu erleichtern oder anderweitig dazu beizutragen.


IV. Viertes Sanktionspaket (15.03.2022)


Mit der Verabschiedung des vierten Sanktionspakets hat die EU die Liste der zu sanktionierenden Personen und Organisationen in der Verordnung (EU) 269/2014 erweitert. Außerdem hat sie im Rahmen der Erweiterung der Verordnung (EU) 833/2014 weitere Sanktionen beschlossen:

1. Handelsbeschränkungen

Auch dieses Sanktionspaket umfasst erweiterte Handelsbeschränkungen, die in den Artikeln 3, 3a, 3e, 3g und 3h der Verordnung (EU) 833/2014 festgelegt sind. Insbesondere wurde vereinbart, die Ausfuhr bestimmter Ausrüstungen, Technologien und Dienstleistungen für den Energiesektor (z. B. Leitungsrohre, Gesteins- oder Erdbohrwerkzeuge) zu verbieten. Darüber hinaus wurde ein Investitionsverbot für den Energiesektor verhängt. Auch der Erwerb von Anteilen an russischen Energieunternehmen und die Gründung von Joint Ventures sind davon betroffen.

Außerdem wurde mit der Einführung von Art. 3g ein Einfuhrverbot für bestimmte Eisen- und Stahlerzeugnisse verhängt (eine Liste der Produkte findet sich in Anhang XVII der Verordnung).

Weitere massive Beschränkungen finden sich in dem neu eingeführten Art. 3h der Verordnung.

Demnach gibt es umfassende Ausfuhrbeschränkungen für Luxusgüter. Der Verkauf, die Lieferung, die Weitergabe oder die Ausfuhr solcher (in Anhang XVIII aufgeführten) Güter an Personen in Russland oder zur Verwendung in Russland ist nicht erlaubt. Anhang XVIII umfasst eine breite Palette von Produkten, darunter verschiedene Lebensmittel, Kleidung, Schmuck, elektronische Artikel und Fahrzeuge. Nach Angaben der Europäischen Kommission soll dieses Verbot vor allem die russischen Eliten treffen. Grundsätzlich gilt das Verbot für Luxusgüter für die im Anhang aufgeführten Waren ab einem Wert von 300 Euro pro Stück. Entscheidend für die Bemessung dieses Wertes ist - nach der Auslegung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz - der vom Importeur gezahlte Preis (vgl. FAQ BMWK, https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/FAQ/Sanktionen-Russland/faq-russland-sanktionen.html, abgerufen am 24.08.2022). Das Verbot erstreckt sich auch auf Fahrzeuge, wenn sie für die Beförderung von Personen bestimmt sind und einen Wert von 50.000 Euro überschreiten, sowie auf Zubehör und Ersatzteile (laut BMWK ohne Rücksicht auf den Wert). Bemerkenswert ist auch, dass die Kategorie 17 des Anhangs über das beabsichtigte Ziel, die Ausfuhr von Luxusgütern zu verbieten, hinausgeht und zum Beispiel auch Eisenbahnlokomotiven und Straßenbahnwagen erfasst.

2. Beschränkungen auf dem Finanzmarkt

Darüber hinaus enthält dieses Sanktionspaket Änderungen an Art. 5 der Verordnung (EU) 833/2014. Gemäß Art. 5aa sind alle Geschäfte mit Unternehmen, die in Anhang XIX aufgeführt sind, verboten. Dieses Verbot geht über die üblichen Verbote für die Bereitstellung von Geldern oder wirtschaftlichen Ressourcen hinaus, die bereits erlassen wurden. Betroffen sind in erster Linie staatliche Unternehmen wie Rosneft, Transneft, Gazprom Neft, United Aircraft Corporation, Kamaz und OPK Oboronprom. Geschäfte mit Tochtergesellschaften und Unternehmen, die sich mehrheitlich im Besitz der börsennotierten Unternehmen befinden, sind ebenfalls betroffen, wenn sie außerhalb der EU ansässig sind. Das Gleiche gilt für Joint Ventures mit solchen Konzernen, die folglich aufgelöst werden müssen. Ausnahmen sind nur in begrenztem Umfang im Zusammenhang mit alten Verträgen und mit der Einfuhr von fossilen Brennstoffen, Metallen und mit bestimmten Energieprojekten außerhalb Russlands vorgesehen.


V. Fünftes Sanktionspaket (08.04.2022)

Nachdem bekannt wurde, dass die russische Armee schwere Kriegsverbrechen in der Ukraine begangen hatte, reagierte die EU mit der Verabschiedung von Sanktionspaket Nummer fünf. Dieses sah eine Ausweitung der bestehenden Sanktionen und die Einführung neuer Handelsbeschränkungen vor.

1. Neue Auflistungen

Mit der Durchführungsverordnung (EU) 2022/581 wurden mehr als 200 zusätzliche natürliche Personen sowie verschiedene Unternehmen in die Sanktionsliste der Verordnung (EU) 269/2014 aufgenommen. Besonders erwähnenswert ist die Aufnahme der zweitgrößten russischen Bank (VTB Bank) sowie der Sovcombank, Novikombank und Otkritie FC Bank.

2. Handelsbeschränkungen

Auch die Verordnung (EU) 833/2014 wurde im Rahmen dieses Sanktionspakets umfassend geändert. So wurde beispielsweise vereinbart, die Einfuhr von Kohle aus Russland zu verbieten (Art. 3j), es sei denn, es geht um die Erfüllung von Verträgen, die vor dem 09.04.2022 geschlossen wurden (in diesem Fall gilt das Verbot erst ab dem 11.08.2022). Weitere Einfuhrverbote finden sich in Art. 3i, der sich auf Anhang XXI bezieht. Darunter fallen Waren wie Zement, Phosphate, Holz und Holzprodukte, Silber, Düngemittel, Meeresfrüchte, Kaviar usw. Ausnahmen gelten innerhalb bestimmter Grenzen für alte Verträge.

Außerdem hat die EU eine Vielzahl von Ausfuhrverboten erlassen (vgl. Art. 3k). Eine Liste mit weiteren Waren, die nicht mehr ausgeführt werden dürfen, findet sich in Anhang XXIII der Verordnung. Aufgeführt sind zum Beispiel Industrieroboter, elektrisch angetriebene Eisenbahnlokomotiven, Dampfturbinen, bestimmte Rohre, Kabel, Schläuche und viele andere Güter. Ebenfalls verboten ist die Erbringung von damit zusammenhängender technischer Hilfe, von Vermittlungsdienstleistungen oder anderen Dienstleistungen sowie die Bereitstellung von Finanzmitteln oder finanzieller Unterstützung. Ebenfalls in den Geltungsbereich der Ausfuhrverbote fällt Anhang VII der Verordnung, der um andere Güter wie Quantencomputer, Mikroskope oder Werkzeugmaschinen erweitert wurde.

3. Transportbeschränkungen

Als Teil dieses Sanktionspakets wird Schiffen, die unter russischer Flagge registriert sind, ab dem 16.04.2022 der Zugang zu EU-Häfen gemäß Art. 3ea. Um eine Umgehung dieser Regelung zu verhindern, gilt das Verbot auch für Schiffe, die unter russischer Flagge registriert sind, bis zum 24.02.2022.

Darüber hinaus wurde ein Verbot für in Russland ansässige Güterkraftverkehrsunternehmen erlassen, die nach dem 09.04.2022 Waren auf der Straße in die EU transportieren (Art. 3l).

4 Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge

Mit dem Inkrafttreten von Art. 5k der Verordnung sind russische Unternehmen und Einzelpersonen sowie nicht-russische Unternehmen, die sich mehrheitlich im Besitz russischer Unternehmen oder Einzelpersonen befinden oder im Namen oder auf Anweisung russischer Unternehmen oder Einzelpersonen handeln, von öffentlichen Vergabeverfahren ausgeschlossen, die unter die EU-Vergaberichtlinien fallen, sowie von den meisten Vergabeverfahren, für die Ausnahmen von diesen Richtlinien gelten. Dieses Verbot gilt nicht nur für Auftragnehmer, sondern auch für Unterauftragnehmer, Lieferanten oder das Unternehmen, dessen Kapazitäten im Sinne der Vergaberichtlinie genutzt werden und mehr als 10 % des Auftragswerts ausmachen. Es ist bemerkenswert, dass dieses Verbot sogar für russische Staatsangehörige mit Wohnsitz in der EU gilt.

Außerdem dürfen bestehende öffentliche Aufträge mit betroffenen Unternehmen nicht fortgesetzt werden, sondern können sofort gekündigt werden. Die Erlaubnis, bestehende Verträge zu vergeben oder fortzuführen, kann jedoch in bestimmten Fällen erteilt werden, z. B. im Rahmen der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit bei Weltraumprogrammen oder bei der Bereitstellung wesentlicher Güter oder Dienstleistungen (das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat sich ausführlich zu dem Verbot nach Art. 5k, vgl. FAQ, https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/FAQ/Sanktionen-Russland/faq-russland-sanktionen.html, abgerufen am 24.08.2022).

5 Beschränkungen im Finanzsektor

Mit der Einfügung von Art. 5l ist es verboten, juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen mit Sitz in Russland zu unterstützen, die zu mehr als 50 % in öffentlichem Besitz oder unter öffentlicher Kontrolle sind. Dies umfasst die Bereitstellung von Finanzmitteln und finanzieller Unterstützung oder anderen Leistungen im Rahmen eines Programms der Europäischen Union, des Euratom-Programms, eines nationalen Programms eines Mitgliedstaats oder im Rahmen von Verträgen im Sinne der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046.

Darüber hinaus wurde das bestehende Verbot, Einlagen mit einem Gesamtwert von mehr als 100.000 € von russischen Personen oder Organisationen anzunehmen, auf Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Krypto-Wallets, Krypto-Konten oder Krypto-Verwahrungen (ab einem Wert von 10.000 € pro Wallet, Konto oder Verwahrungsstelle) ausgeweitet (Artikel 5b Absatz 2 der Verordnung (EU) 833/2014).

Darüber hinaus hat die EU mit der Einführung von Art. 5m die Eintragung eines Trusts oder einer ähnlichen Rechtsvereinbarung oder die Bereitstellung eines eingetragenen Sitzes, einer Geschäfts- oder Verwaltungsadresse oder von Verwaltungsdienstleistungen für diesen Trust oder diese Rechtsvereinbarung verboten, wenn der Treugeber oder Begünstigte eine russische oder in Russland ansässige natürliche oder juristische Person ist.


VI. Sechstes Sanktionspaket (03.06.2022)


Am 03.06.2022 hat die EU das sechste Sanktionspaket verabschiedet. Dieses beinhaltet neue Beschränkungen für Waren und Personen.

1. Neue Auflistungen

Im Rahmen dieses Sanktionspakets wurden die Sanktionen auf weitere Personen und Organisationen ausgeweitet. Diejenigen, die für die russischen Gräueltaten in Butcha und Mariupol verantwortlich sind, Persönlichkeiten, die den Krieg unterstützen, führende Geschäftsleute und Familienmitglieder von Oligarchen und Kremlbeamten, die bereits sanktioniert sind, sowie Unternehmen aus dem Verteidigungsbereich wurden in die Sanktionsliste aufgenommen. Darüber hinaus wurde die größte russische Wertpapiersammelbank auf die Liste der zu sanktionierenden Unternehmen gesetzt, die die russische Regierung materiell oder finanziell unterstützen.

Die Liste der Unternehmen, denen der Export von Waren und Technologien untersagt ist, die zur militärischen oder technologischen Aufrüstung Russlands beitragen könnten, wurde ebenfalls erweitert.

2. Importverbot für russisches Öl

Mit der Einführung von Art. 3m der Verordnung (EU) 833/2014 hat die EU beschlossen, den Kauf, die Einfuhr oder den Transfer von Rohöl und bestimmten Erdölprodukten aus Russland in die EU auf dem Seeweg zu verbieten. Dieses Verbot soll schrittweise über einen Zeitraum von sechs bis acht Monaten eingeführt werden. Die Einfuhr von Erdöl über Pipelines wird weiterhin erlaubt sein. Für Importe in EU-Mitgliedsstaaten, die besonders abhängig von Lieferungen aus Russland sind und keine Alternativen haben (Bulgarien, Kroatien, Tschechien), sind zunächst Ausnahmen vorgesehen (vgl. auch FAQ der Kommission vom. 03.06.2022, https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/qanda_22_2823, abgerufen am 24.08.2022) zum Ölembargo und sechsten Sanktionspaket insgesamt).

3 Weitere Beschränkungen

Darüber hinaus wurde die Liste der vom Exportverbot betroffenen Güter und Technologien um verschiedene chemische Substanzen erweitert, die für die Herstellung von Chemiewaffen verwendet werden können.

Die EU hat außerdem beschlossen, die Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Buchhaltung und Steuerberatung sowie Unternehmens- und Öffentlichkeitsarbeit für Russland zu verbieten.

Im Finanzsektor wurden weitere Kreditinstitute von SWIFT ausgeschlossen, vor allem die größte russische Bank (Sberbank).

Schließlich setzte die EU die Sendetätigkeit von drei weiteren russischen Staatsmedien (Rossiya RTR/RTR Planeta, Rossiya 24 und TV Centre International) aus.


VII. Siebtes Sanktionspaket (21.07.2022)


Das aktuelle Sanktionspaket wurde von der EU am 21.07.2022 verabschiedet. Damit sollen bestehende Wirtschaftssanktionen verschärft, ihre Umsetzung optimiert und ihre Wirksamkeit gestärkt werden (Paket zur "Aufrechterhaltung und Anpassung", vgl. Pressemitteilung des Rates der EU vom 21.07.2022, https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2022/07/21/russia-s-aggression-against-ukraine-eu-adopts-maintenance-and-alignment-package/, abgerufen am 24.08.2022). Abgesehen von einigen neuen Maßnahmen enthält das Paket daher verschiedene Änderungen und Konkretisierungen.

1. Einfuhrverbot für Gold

Die wahrscheinlich wichtigste neue Einschränkung in diesem Paket ist das Verbot des direkten oder indirekten Verkaufs, der Einfuhr oder der Weitergabe von russischem Gold in die EU nach dem 22.07.2022 (Art. 3o Verordnung (EU) 833/2014). Das Verbot gilt nur für Gold, das in Anhang XXVI der Verordnung aufgeführt ist. Dazu gehören zum Beispiel Gold in Pulverform oder Goldabfälle sowie - laut Kommission, https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/qanda_22_4643, abgerufen am 24.08.2022 - Goldschmuck.

2 Erweiterte Ausfuhrkontrollen und Ausnahmen

Die Liste der Güter, die der Ausfuhrkontrolle unterliegen, wurde aktualisiert und die Anhänge VII, X und XXIII der Verordnung wurden um zusätzliche Güter erweitert, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen. So sind zum Beispiel 50 neue Güter mit doppeltem Verwendungszweck aufgeführt, darunter Schutzausrüstungen, spezielle Materialien, bestimmte Chemikalien und verschiedene Impfstoffe, die zur Entwicklung biologischer Waffen verwendet werden können.

Weitere Ausnahmen für bestimmte Ausfuhrverbote wurden ebenfalls vereinheitlicht. Während diese in einigen Fällen nur für humanitäre Zwecke bestimmt waren, können Ausfuhren nun auch für medizinische und pharmazeutische Zwecke genehmigt werden.

3 Präzisierung bestehender Verbote

Darüber hinaus enthält die Verordnung verschiedene Konkretisierungen, insbesondere in den Bereichen öffentliches Auftragswesen, Luftfahrt und Handel mit börsennotierten Unternehmen.

Im Bereich des öffentlichen Auftragswesens hat die EU kleinere Änderungen vorgenommen, wie z.B. die Klarstellung, dass sich das Verbot der Teilnahme am Vergabeverfahren auf jede natürliche Person mit Wohnsitz in Russland erstreckt. Außerdem soll in der Luft- und Raumfahrtindustrie künftig technische Unterstützung für den Informationsaustausch zur Festlegung technischer Standards der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation erlaubt sein.

Außerdem sollen die Transaktionsverbote nicht für Geschäfte gelten, die den Kauf, die Einfuhr oder den Transport von pharmazeutischen, medizinischen, landwirtschaftlichen oder Lebensmittelprodukten betreffen. Vor allem bei landwirtschaftlichen Produkten und Lebensmitteln soll diese Ausnahmeregelung der weltweiten Ernährungsunsicherheit vorbeugen.


4 Verschärfte Finanzsanktionen und Meldepflichten


Die EU hat außerdem weitere natürliche und juristische Personen in die Sanktionsliste der Verordnung (EU) 269/2014 über das Einfrieren von Vermögenswerten aufgenommen. Demnach steht auch die Sberbank zum ersten Mal auf dieser Liste.

Im Rahmen der Verabschiedung dieses Sanktionspakets werden die gelisteten Personen außerdem dazu verpflichtet, ihr Vermögen in der EU offenzulegen und den zuständigen Behörden zu melden. Außerdem werden die Meldepflichten für EU-Wirtschaftsbeteiligte verschärft. Dadurch können die Regeln zum Einfrieren von Vermögenswerten im Falle einer Nichtmeldung umgangen werden.


C. Praktische Auswirkungen

 

I. Verpflichtungen


Mit der Verabschiedung dieser Vielzahl von Sanktionen stellt sich für Unternehmen die Frage, welche Maßnahmen sofort ergriffen werden müssen, um die Einhaltung der Beschränkungen zu gewährleisten. Unternehmen, die (noch) Geschäfte in Russland und der Ukraine oder mit russischen Unternehmen oder staatlichen Einrichtungen tätigen, müssen sicherstellen, dass das Risiko von Sanktionsverstößen minimiert wird. Konkret bedeutet das für Unternehmen, dass sowohl neue als auch bestehende Geschäftsbeziehungen umfassend überprüft werden müssen, zum Beispiel im Rahmen von Compliance Screenings. Die entsprechende Struktur für eine solche Prüfung und die Festlegung der Zuständigkeiten dafür sollten umgehend geschaffen werden, sofern sie nicht bereits vorhanden sind.

Wenn ein Unternehmen direkt oder indirekt von Sanktionen betroffen ist, ist es ratsam, die entsprechenden Verträge zu überprüfen. Unabhängig von vertraglichen Vereinbarungen sollte eine Prüfung im Hinblick auf die Rechtsinstitute der Unmöglichkeit und der Ungewissheitseinrede vorgenommen werden. Ein Verstoß gegen Sanktionen sollte nicht riskiert werden, da strafrechtliche Konsequenzen möglich sind.


II. Folgen eines Verstoßes


Welche Sanktionen einem Unternehmen drohen, wenn es gegen die Sanktionen verstößt, ist in jedem Einzelfall nach nationalem Recht zu bestimmen. Die EU-Verordnungen sehen keine konkreten Maßnahmen für Sanktionen bei Verstößen vor und überlassen es den Mitgliedsstaaten, solche Maßnahmen zu erlassen. Im deutschen Rechtssystem finden sich entsprechende Bestimmungen im Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und in der Außenwirtschaftsverordnung (AWV). Der darin enthaltene Bußgeldkatalog sieht Geld- und Freiheitsstrafen für vorsätzliche oder fahrlässige Verstöße vor. Die Strafbestimmungen sind in § 18 AWG vereinheitlicht. Für vorsätzliche Verstöße gegen die in der Vorschrift normierten Tatbestände können Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren verhängt werden. In bestimmten Fällen ist eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr vorgesehen.

§ 19 AWG enthält wiederum verschiedene Ordnungswidrigkeiten. Besonders zu erwähnen ist, dass auch fahrlässig verursachte Verstöße mit hohen Geldbußen geahndet werden können. § 19 Abs. 6 AWG sieht Geldbußen von bis zu 500.000 Euro vor. Um Geldbußen verhängen zu können, muss die Ermittlungsbehörde nicht unbedingt Vorsatz nachweisen. Daher sollten Unternehmen und ihre jeweiligen Verantwortlichen sehr aufmerksam sein und ihre Prozesse gründlich überprüfen, um keine Bußgelder für fahrlässige Verstöße zu riskieren.